Leben als Soldat im Reiterkastell Durnomagus 

Gründung, Garnison und Alltag am Niedergermanischen Limes vom 1. bis zum 3. Jh. n. Chr.

Einleitung: Durnomagus – Ein römisches Reiterkastell im Brennpunkt der Geschichte

 

Mitten im heutigen Dormagen, verborgen unter Straßen, Häusern und dem Rathaus, schlummern die Überreste eines der bedeutendsten römischen Reiterkastelle am Niedergermanischen Limes: Durnomagus. Von seiner Gründung im späten 1. Jahrhundert n. Chr. bis zu seiner Aufgabe in der Spätantike war das Kastell ein neuralgischer Punkt der römischen Grenzsicherung, ein Schmelztiegel unterschiedlichster Ethnien und ein Mikrokosmos des römischen Militär- und Alltagslebens. Dieser Aufsatz beleuchtet die Gründung, strategische Bedeutung, archäologischen Befunde, die stationierten Truppen – insbesondere die Ala I Noricorum –, deren Herkunft, Ausrüstung, Alltag und religiöse Praxis sowie die Entwicklung des Kastells und seines zivilen Umfelds. Dabei werden antike Quellen, aktuelle archäologische Forschung und museale Bestände ebenso berücksichtigt wie die neuesten wissenschaftlichen Debatten.

Gründung des Reiterkastells Dornumagus

 

Historischer Kontext und erste römische Aktivitäten

 

Die römische Präsenz im Gebiet des heutigen Dormagen begann nicht mit dem Kastell selbst, sondern bereits mit einer der frühesten nachweisbaren Militärziegeleien am Niederrhein. Diese Ziegelei, betrieben von einer Vexillation der Legio I Germanica, war spätestens bis zum Ausbruch des Bataveraufstands (69/70 n. Chr.) in Betrieb und zeugt von der frühen strategischen Bedeutung des Ortes für die römische Infrastruktur.

 

Die eigentliche Gründung des Kastells Durnomagus erfolgte im Rahmen der großangelegten Grenzbefestigungen unter Kaiser Domitian (81–96 n. Chr.), insbesondere im Zusammenhang mit den Chattenkriegen (83–85 n. Chr.). Die Anlage eines neuen Reiterlagers nördlich von Köln im Stammesgebiet der germanischen Ubier war Teil einer umfassenden Sicherung des Rheingebiets und der Flankensicherung gegen germanische Stämme.

 

Bauphasen: Vom Holz-Erde-Lager zum Steinkastell

 

Das erste Kastell entstand um 80 n. Chr. in Holz-Erde-Bauweise. Es war ein typisches Alenkastell, also für eine Kavallerieeinheit (Ala quingenaria) mit etwa 480 Reitern konzipiert. Die Anlage umfasste etwa 2,7 bis 3,3 Hektar und war von zwei umlaufenden Spitzgräben umgeben, die als Annäherungshindernis dienten. Die Lagerstruktur war nach ONO, also zum Rhein hin, ausgerichtet – eine Ausrichtung, die sowohl militärisch als auch logistisch sinnvoll war.

 

In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts wurde das Kastell sukzessive durch Steinbauten ersetzt. Die neue Mauer war rund einen Meter breit, aus Basaltbruchsteinen und Tuffquadern errichtet und mit Türmen an Ecken und Toren bewehrt. Die Innenbebauung bestand aus kombinierten Baracken für Pferde und Mannschaften, reinen Pferdeställen und Mannschaftsbaracken. Nach einem Schadfeuer um 161 n. Chr. wurde das Steinlager wieder aufgebaut, bevor es im späten 2. Jahrhundert erneut durch Brand zerstört wurde.

Strategische Bedeutung am Niedergermanischen Limes

 

Lage und Funktion im römischen Grenzsystem

 

Durnomagus lag auf einer hochwassergeschützten Anhöhe unmittelbar oberhalb der Niederterrasse des Rheins. Diese Position bot nicht nur Schutz vor Überschwemmungen, sondern auch einen natürlichen Verteidigungsvorteil durch die steil abfallende Terrassenkante. Das Kastell war Teil einer Kette von etwa 50 Kastellen und Legionslagern, die sich linksrheinisch zwischen Lugdunum Batavorum (Katwijk) und Rigomagus (Remagen) erstreckten und den Niedergermanischen Limes bildeten.

 

Der Niedergermanische Limes war keine undurchlässige Barriere, sondern ein komplexes Grenzsystem, das militärische und zivile Strukturen miteinander verband. Durnomagus sicherte den Grenzabschnitt zwischen der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) und der Colonia Ulpia Traiana (Xanten) und lag an der wichtigen römischen Reichsstraße von Lugdunum Batavorum nach Argentoratum (Straßburg).

 

Erwähnung im Itinerarium Antonini

 

Die einzige antike schriftliche Quelle, die Durnomagus explizit nennt, ist das Itinerarium Antonini, ein spätantikes Straßenverzeichnis. Dort heißt es: „Colonia Agrippina – Durnomago leugas VII ala – Burungo leugas V ala – Novaesio leugas V ala.“ Das bedeutet: Von Köln bis Dormagen (Standort einer Ala) sind es sieben Leugen (ca. 15,5 km), bis Burungum (vermutlich Haus Bürgel oder Worringen) fünf Leugen, bis Neuss weitere fünf Leugen. Durnomagus war somit jeweils rund einen Tagesmarsch von Köln und Neuss entfernt – eine ideale Distanz für die Kommunikation und gegenseitige Unterstützung der Garnisonen.

 

Militärgeographische Besonderheiten

 

Die Lage auf einer Anhöhe, die Nähe zum Rhein und die Einbindung in das dichte Netz von Straßen und Wasserwegen machten Durnomagus zu einem Schlüsselpunkt der römischen Grenzsicherung. Die strategische Bedeutung wurde durch die Nähe zu anderen wichtigen Kastellen wie Novaesium (Neuss) und Burungum (Haus Bürgel) noch verstärkt. Die Kastellkette ermöglichte schnelle Truppenbewegungen, effektive Patrouillen und eine effiziente Kontrolle des Grenzverkehrs.

Archälogische Befunde und Grabungsgeschichte

 

Entdeckung und Erforschung

 

Die archäologische Erforschung von Durnomagus begann bereits im 19. Jahrhundert. 1821 wurden mehrere Weihesteine für Mithras entdeckt, die aus einem etwa 13 Meter langen Mithräum geborgen wurden. 1834 kamen bei Straßenbauarbeiten zahlreiche römische Gräber zum Vorschein. Die Sammlung der Familie Delhoven umfasste über 500 Münzen, hunderte Keramikgefäße, Inschriftensteine, Ziegel und Kleinfunde – ein Großteil davon ist heute verloren, einige Stücke befinden sich im Rheinischen Landesmuseum Bonn und im Historischen Museum Düsseldorf.

 

Im 20. Jahrhundert wurden bei Bauarbeiten immer wieder römische Funde gemacht: Grabbeigaben, Keramik, Münzen, Altarsteine. Seit 1964 kontrolliert das Rheinische Landesmuseum Bonn, später das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege, systematisch die Baumaßnahmen in Dormagen. Dadurch konnten das Kastell und der zugehörige Vicus lokalisiert und in ihren Ausmaßen bestimmt werden. Zuletzt wurde 2004 erneut ein Bereich des Auxiliarkastells untersucht.

 

Ziegelstempel, Münzfunde und epigraphische Quellen

 

Ein besonders wichtiger Fund ist ein Ziegelstempel der Legio XXII Primigenia pia fidelis (LEG XXII PPF), der belegt, dass das Lager zwischen 88/89 und 92/96 n. Chr. bereits bestand. Die Münzreihe beginnt mit einer claudischen Prägung, domitianische Münzen sind reichlich vorhanden, und die Schlussmünze ist ein Triens des Theodosius I. um 390 n. Chr. Datierbare Keramiken reichen von südgallischen Terra Sigillata um 70 n. Chr. bis zu spätsüdgallischen Töpferwaren des späten 1. Jahrhunderts.

 

Bauphasen und Kastellstruktur

 

Die archäologischen Befunde belegen mehrere Bauphasen:

  • Holz-Erde-Lager (um 80 n. Chr.): Zwei umlaufende Spitzgräben, Holz-Erde-Mauer, vier Tore mit Türmen, kombinierte Baracken für Pferde und Mannschaften.
  • Steinkastell (ab frühes 2. Jh.): Steinmauer mit Basalt- und Tuffquadern, Zwischentürme, steinerne Principia (Stabsgebäude), Ziegeldach, Lagerringstraße (Via sagularis), Hauptstraßen (Via praetoria, Via principalis, Via decumana).
  • Umbauten im 3. und 4. Jh.: Reduktion der Gräben, Verstärkung der Tore, Bau eines Reduktionskastells in der Spätantike.

Die Innenbebauung umfasste Stabsgebäude, Werkstätten, Kommandantenhaus, Speicher, Mannschaftsbaracken und Stallungen. Besonders bemerkenswert ist die enge Verbindung von Pferdeställen und Mannschaftsunterkünften, wie sie für Reiterkastelle typisch ist.

 

Herausragende Funde

 

Zu den außergewöhnlichen Funden zählen:

  • Mithräum mit Weihesteinen: Zwei Steine wurden von Soldaten der Ala I Noricorum gestiftet und belegen deren Stationierung in Durnomagus.
  • Münzschatz (1839): 900 Silbermünzen und vier Goldmünzen von Augustus bis Commodus.
  • Dormagener Denarfund: Zehn Denare von Vespasian bis Mark Aurel, die die lange Umlaufzeit flavischer Prägungen belegen.
  • Altar für Apollon und Asklepios: Kalksteinfragment aus dem 2./3. Jh., heute im Rheinischen Landesmuseum Bonn.

Viele Funde sind im Historischen Rathaus Dormagen und im „Römerkeller“ ausgestellt, der als kleines Museum besichtigt werden kann.

Bauphasen und Entwicklung des Kastells (1. bis 4. Jahrhundert n.Chr.)

 

Frühphase: Holz-Erde-Lager

 

Das erste Lager wurde um 80 n. Chr. in Holz-Erde-Technik errichtet. Die Umwehrung bestand aus einer Holz-Erde-Mauer mit vorgelagerten Spitzgräben. Die Innenbebauung umfasste kombinierte Baracken für Pferde und Soldaten, reine Pferdeställe und Mannschaftsbaracken. Die Lagerstruktur war nach römischem Standard ausgerichtet, mit vier Toren, Eck- und Zwischentürmen sowie einem zentralen Stabsgebäude (Principia).

 

Ausbau zum Steinkastell

 

In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts wurde das Lager durch ein Steinkastell ersetzt. Die Steinmauer war etwa einen Meter breit, aus Basaltbruchsteinen und Tuffquadern errichtet, und mit Türmen an Ecken und Toren bewehrt. Die Principia bedeckten eine Grundfläche von 53 × 42 Metern, mit einer 5,5 Meter breiten Aedes (Fahnenheiligtum) und mehreren Nebenräumen. Die Baracken waren teils kombinierte Stall-Mannschaftsbauten, teils reine Stallungen oder Mannschaftsunterkünfte. Die Lagerringstraße (Via sagularis) und die Hauptstraßen (Via praetoria, Via principalis, Via decumana) sind archäologisch nachgewiesen.

 

Zerstörung und Wiederaufbau

 

Im zweiten Viertel des 2. Jahrhunderts wurde das Kastell durch ein Schadfeuer zerstört, aber wieder aufgebaut. Eine weitere Zerstörung durch Brand ereignete sich gegen Ende des 2. Jahrhunderts. Im 3. und 4. Jahrhundert wurden die Gräben reduziert, die Mauer verstärkt und ein Reduktionskastell errichtet, das bis ins 5. Jahrhundert Bestand gehabt haben könnte. Zerstörungshorizonte, die auf ein gewaltsames Ende der Garnison in der Spätantike schließen lassen, fehlen jedoch.

 

Spätantike Nutzung und Aufgabe

 

Nach dem Frankeneinfall um 275 n. Chr. wurde das Kastell vorübergehend wieder genutzt, wie die Verstärkung der Porta principalis dextra belegt. In der Spätantike entstand ein 57 × 52 Meter großes Reduktionskastell im Nordosten der Anlage, das möglicherweise bis ins 5. Jahrhundert bestand. Die endgültige Aufgabe des Kastells erfolgte wohl um 390 n. Chr., spätestens jedoch im frühen 5. Jahrhundert.

Stationierte Truppen: Die Ala I Noricorum und weitere Einheiten

 

Die Ala I Noricorum: Herkunft und Geschichte

 

Die Ala I Noricorum civium Romanorum war eine römische Auxiliareinheit, die ursprünglich aus dem keltischen Volk der Noriker in der Provinz Noricum (heutiges Österreich und Teile Bayerns) rekrutiert wurde. Die Einheit wurde vermutlich in der frühen Kaiserzeit aufgestellt und ist durch Militärdiplome und Inschriften belegt.

  • Stationierungsorte der Ala I Noricorum
  • Mogontiacum (Mainz): Mitte des 1. Jahrhunderts, belegt durch Grabsteine und Inschriften.
  • Burginatium (Kalkar): Nach dem Bataveraufstand (70 n. Chr.), belegt durch Grabsteine.
  • Durnomagus (Dormagen): Ab etwa 85 n. Chr. bis ins späte 2. Jahrhundert, belegt durch Weihesteine, Militärdiplome und Inschriften.

Die Einheit war eine Ala quingenaria mit einer Sollstärke von 480 Mann, gegliedert in 16 Turmae zu je 30 Reitern. Der vollständige Name „civium Romanorum“ weist darauf hin, dass der Einheit das römische Bürgerrecht verliehen wurde – eine Auszeichnung für besondere Tapferkeit, vermutlich im Zusammenhang mit dem Bataverkrieg.

 

Kommandeure und bekannte Soldaten

 

Zu den bekannten Kommandeuren zählen Aurelius Flaccus (um 160/167 n. Chr.) und Titus Flavius Firmus (um 138–161 n. Chr.). Weitere namentlich bekannte Soldaten sind C. Romanius Capito (aus Celeia, Noricum), C. Iulius Primus (Treverer), T. Flavius Bassus (Dansaler, Thraker), Fabius Pudens (Decurio, Thraker), Marcus Sacrius (Gallier) und C. Amandinius Verus (Bucinator, Hornist).

 

Ethnische und soziale Zusammensetzung

 

Die ursprüngliche Rekrutierung erfolgte in Noricum, doch bereits ab flavischer Zeit wurde die Einheit zunehmend durch gallisch-germanische und thrakische Reiter ergänzt. Die Soldaten stammten aus unterschiedlichsten Regionen: Noricum, Gallien, Germanien, Thrakien, Batavien. Die Ala wurde so zu einem Spiegelbild der ethnischen Vielfalt des römischen Heeres am Limes.

 

Weitere mögliche Einheiten und Truppenbesetzung

 

Über die Truppen, die nach der Ala I Noricorum im 3. und 4. Jahrhundert in Durnomagus stationiert waren, ist wenig bekannt. Es gibt keine sicheren epigraphischen oder archäologischen Belege für andere Einheiten. Die militärische Präsenz wurde jedoch bis zum Ende des 4. Jahrhunderts aufrechterhalten, möglicherweise mit wechselnden Besatzungen, darunter kleinere Einheiten oder Numeri.

Herkunft, Ethnizität und soziale Zusammensetzung der Soldaten

 

Rekrutierung und Integration

 

Die Ala I Noricorum wurde ursprünglich aus Norikern rekrutiert, einem keltischen Volk aus dem Gebiet des heutigen Österreich. Mit der Versetzung an den Niederrhein begann die Auffüllung der Einheit mit lokalen Rekruten aus Gallien, Germanien und Thrakien. Die Soldaten waren zunächst peregrini (Nichtbürger), erhielten aber nach 25 Dienstjahren das römische Bürgerrecht und das Recht zur Eheschließung (conubium).

 

Epigraphische Zeugnisse zur Herkunft

  • C. Romanius Capito: Geboren in Celeia (Noricum), 19 Dienstjahre, gestorben in Mainz.
  • C. Iulius Primus: Treverer (Gallien), 7 Dienstjahre, gestorben in Kalkar.
  • T. Flavius Bassus: Dansaler (Thraker), 26 Dienstjahre, gestorben in Köln.
  • Duplicarius Thuratralis: Thraker, Weihestein für Mithras in Dormagen.
  • Bataver: Ein Militärdiplom aus Poeldijk (Niederlande) belegt einen Bataver, der nach Dienst in Dormagen in seine Heimat zurückkehrte.

Diese Vielfalt zeigt, dass die Ala I Noricorum im Laufe der Zeit zu einer multiethnischen Einheit wurde, in der Kelten, Germanen, Thraker und andere Provinziale gemeinsam dienten.

 

Soziale Struktur und Aufstiegsmöglichkeiten

 

Die Hierarchie innerhalb der Ala umfasste den praefectus alae (Kommandeur, Ritterstand), decuriones (Turmaführer), duplicarii (Doppelsöldner, Stellvertreter des Decurio), sesquiplicarii (anderthalbfacher Sold), bucinatores (Hornisten) und einfache Reiter (equites). Der soziale Aufstieg war möglich: Durch Tapferkeit und Dienstzeit konnten Soldaten in höhere Ränge aufsteigen und das Bürgerrecht erwerben.

Ausrüstung und Alltag der Reitersoldaten

 

Pferde und Reitweise

 

Die römischen Kavalleriepferde waren kleiner als heutige Reitpferde, oft an der Grenze zwischen Pony und Pferd. Sie wurden mit reich verziertem Zaumzeug und dem charakteristischen Hörnchensattel geritten, der ohne Steigbügel auskam, aber durch seitliche Hörner guten Halt bot. Die Pferde waren unbeschlagen und wurden in den Stallungen der Kastellbaracken untergebracht, oft direkt neben den Mannschaftsunterkünften.

 

Bewaffnung und Schutz

 

Die Ausrüstung der Reitersoldaten entsprach im Prinzip der Legionärsbewaffnung, war aber an die Anforderungen des Reitens angepasst:

  • Helm: Oft mit Haarkalotte, manchmal als Gesichtshelm mit Masken (wie die Dormagener Helmmaske).
  • Körperpanzerung: Überwiegend Kettenhemden (lorica hamata) mit Schulterverstärkung, seltener Schuppenpanzer (lorica squamata).
  • Schild: Parma equestris, oval, ca. 115 × 60 cm, leichter als das Scutum der Infanterie.
  • Wurfspeere (iacula): Kurze Speere, oft mehrere mitgeführt.
  • Stoßlanze (hasta): Längere Lanze für den Nahkampf.
  • Schwert (spatha): Längeres, auf Hieb und Stich optimiertes Schwert.
  • Dolch (pugio): Kurze Seitenwaffe.

Die Ausrüstung wurde durch Gürtel, Fibeln, Sporen, Messer und persönliche Gegenstände ergänzt. Die Reiter waren damit für schnelle Angriffe, Umgehungsmanöver und Verfolgungen ebenso gerüstet wie für den Kampf zu Fuß.

 

Unterkunft und Alltag

 

Die Kasernen der Ala waren so konzipiert, dass Soldaten und Pferde in unmittelbarer Nachbarschaft untergebracht waren. Eine typische Stube beherbergte sechs bis acht Reiter mit Durchgang zu den angrenzenden Pferdeställen. Der Alltag war geprägt von Drill, Patrouillenritten, Waffenübungen, Stallarbeit und Instandhaltung der Ausrüstung. In der Freizeit standen Würfelspiele, Musik, religiöse Zeremonien und der Besuch des Vicus auf dem Programm.

 

Ernährung und Versorgung

 

Die Versorgung der Reiter erfolgte über das Kastellmagazin und lokale Händler im Vicus. Die Ernährung bestand aus Getreide, Hülsenfrüchten, Fleisch, Fisch, Käse, Olivenöl und Wein. Pferdefutter wurde in den Speicherbauten gelagert. Die Nähe zum Rhein ermöglichte den Import von Luxusgütern und Spezialitäten aus dem gesamten Imperium.

Religiöse Praxis und Kult: Das Mithtrasheiligtum

 

Das Mithräum von Dormagen

 

1821 wurde in Dormagen ein Mithräum entdeckt, ein unterirdischer Kultraum von etwa 13 Metern Länge. Dort fanden sich mehrere dem Mithras geweihte Steine, darunter zwei Weihesteine von Soldaten der Ala I Noricorum. Einer der Steine trägt die Inschrift:

 

„Deo Soli Invicto Mithrae pro salute Imperatoris Suran...is Didil..., Duplicarius der Ala Noricorum, Thrakischer Bürger, hat sein Gelübde freudig und nach Gebühr erfüllt.“

 

Ein weiterer Stein wurde von C. Amandinius Verus, einem Hornisten der Ala, gestiftet. Die Weihungen belegen die starke Verbreitung des Mithraskults unter den Reitersoldaten und die ethnische Vielfalt der Truppe (Thrakischer Duplicarius, römischer Bürger als Bucinator).

 

Bedeutung des Mithraskults

 

Der Mithraskult war besonders bei Soldaten und Offizieren beliebt. Die Initiationsriten, die Betonung von Tapferkeit, Loyalität und Gemeinschaft sowie die symbolische Stiertötung als zentrales Motiv passten ideal zur militärischen Lebenswelt. Das Mithräum von Dormagen ist ein herausragendes Beispiel für die religiöse Praxis in einem römischen Reiterkastell am Limes.

 

Weitere Kulte und religiöse Zeugnisse

 

Neben dem Mithraskult sind auch andere Kulte belegt: Ein Altar für Apollon und Asklepios aus dem 2./3. Jahrhundert wurde im Kastell gefunden. Im zivilen Umfeld wurden Weihesteine für Nymphen und Matronen (Alaferhviae) entdeckt, die auf eine Verschmelzung römischer und einheimischer religiöser Traditionen hinweisen.

Mögliche Einsätze und militärische Aktivitäten (1. bis 3. Jh. n.Chr.)

 

Patrouillen, Grenzsicherung und Alarmbereitschaft

 

Die Hauptaufgabe der Ala I Noricorum bestand in der Sicherung des Limesabschnitts, der Überwachung des Grenzverkehrs und der schnellen Reaktion auf Bedrohungen. Patrouillen zu Pferd, Kontrollritte entlang des Rheins und die Unterstützung benachbarter Kastelle waren Alltag. Die Kavallerie war besonders für Aufklärung, Verfolgung fliehender Feinde und schnelle Eingreifaktionen prädestiniert.

 

Teilnahme an Feldzügen

 

Die Ala I Noricorum war nicht nur lokal aktiv, sondern wurde auch für größere Feldzüge herangezogen. Während des Partherkriegs unter Lucius Verus (161–166 n. Chr.) wurde die Einheit zusammen mit der Legio I Minervia und anderen Hilfstruppen in den Osten verlegt. Nach diesem Feldzug verliert sich die Spur der Ala, was darauf hindeutet, dass sie möglicherweise nicht mehr zurückkehrte oder aufgelöst wurde.

 

Reaktion auf germanische Angriffe

 

Im Verlauf des 3. Jahrhunderts kam es immer wieder zu Einfällen germanischer Stämme (z. B. Franken). Das Kastell wurde nach einem Frankeneinfall um 275 n. Chr. vorübergehend wieder genutzt, und die Befestigungen wurden verstärkt. Die Reiter der Ala waren in solchen Situationen die erste Verteidigungslinie und konnten durch ihre Mobilität schnell auf Bedrohungen reagieren.

Vicus und ziviles Umfeld des Kastells

 

Struktur und Funktion des Vicus

 

Der Vicus, das Lagerdorf, entwickelte sich halbkreisförmig um das Kastell und erstreckte sich im heutigen Stadtbild zwischen Florastraße und Kirchstraße. Hier lebten die Familien der Soldaten, Händler, Handwerker, Schankwirte, Freudenmädchen und andere Dienstleister. Der Vicus war ein Zentrum wirtschaftlicher Aktivität und kultureller Begegnung, in dem römische, keltische und germanische Traditionen verschmolzen.

 

Gräberfelder und Bestattungsriten

 

Die Gräberfelder lagen außerhalb des Siedlungsbereichs entlang der Ausfallstraßen nach Novaesium und Köln. Die Grabbeigaben – Waffen, Schmuck, Keramik, Münzen – geben Einblick in die soziale Struktur und den Wohlstand der Bewohner. Im späten 2. und 3. Jahrhundert verschob sich die Lage der Gräberfelder in den Bereich der späteren Kirche St. Michael, was auf eine Reduktion des Vicus hindeutet.

 

Zivile Bevölkerung und Romanisierung

 

Epigraphische Zeugnisse belegen die Anwesenheit einheimischer Bevölkerung, etwa Julia Frapia, eine Ubierin, deren Grabstein im Vicus gefunden wurde. Die Integration von Einheimischen in das römische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem war ein wichtiger Faktor für die Stabilität der Grenzregion. Die Romanisierung zeigte sich in Architektur, Sprache, Religion und Alltagsleben.

Ziegelstempel, Münzfunde und epigraphische Quellen

 

Ziegelstempel

 

Ziegelstempel der Legio XXII Primigenia pia fidelis belegen die Beteiligung dieser Legion am Bau des Kastells und der Infrastruktur. Die Stempel sind wichtige Datierungshilfen und zeigen die enge Verbindung zwischen Legionen und Auxiliareinheiten bei Bauprojekten am Limes.

 

Münzfunde

 

Die Münzfunde aus Dormagen umfassen Prägungen von Augustus bis Theodosius I. Sie spiegeln die wirtschaftliche Entwicklung, den Fernhandel und die Geldversorgung der Garnison wider. Der Dormagener Denarfund zeigt, dass ältere Münzen lange im Umlauf blieben und dass Trajans Verfügung von 107 n. Chr., alte Silbermünzen einzuziehen, wohl nur republikanische Denare betraf.

 

Epigraphische Quellen

 

Militärdiplome, Grabsteine, Weihesteine und Altäre liefern wertvolle Informationen über die Truppen, ihre Herkunft, Dienstzeiten, religiöse Praxis und soziale Integration. Die Inschriften sind oft detailliert und nennen Namen, Herkunft, Dienstgrade und besondere Verdienste der Soldaten.

Neuere Forschungen und Literatur

 

Die Erforschung von Durnomagus und der Ala I Noricorum ist ein dynamisches Feld, das von Archäologen, Historikern und Epigraphikern gleichermaßen bearbeitet wird. Zu den wichtigsten aktuellen Arbeiten zählen:

  • Jost Auler: Mehrere Studien zur Geschichte und Herkunft der Ala I Noricorum, zur Rekrutierung und zum Alltag der Soldaten.
  • Gustav Müller: Ausgrabungen in Dormagen 1963–1977, grundlegende Monografie zum römischen Dormagen.
  • Michael Gechter: Untersuchungen zur Entwicklung des Niedergermanischen Limes und zur Geschichte des Kastells.
  • Thomas Becker: Dissertation zum spätrömischen Kastell Durnomagus (in Vorbereitung).
  • Marcus Junkelmann: Standardwerke zur römischen Reiterei, Ausrüstung und Bewaffnung.

Die archäologischen Funde werden im Rheinischen Landesmuseum Bonn, im Historischen Museum Düsseldorf und im Historischen Rathaus Dormagen ausgestellt. Der „Römerkeller“ bietet einen authentischen Einblick in die römische Vergangenheit Dormagens.

Vergleich mit benachbarten Kastellen und regionaler Kontexte

 

Kastelkette am Niedergermanischen Limes

 

Durnomagus war Teil einer dichten Kastellkette, zu der auch Novaesium (Neuss), Burungum (Haus Bürgel), Rigomagus (Remagen) und zahlreiche kleinere Kastelle gehörten. Die Kastelle waren durch Straßen und Wasserwege verbunden und bildeten ein effektives Verteidigungs- und Kommunikationsnetzwerk.

 

Besonderheiten von Dornumagus

 

Im Vergleich zu anderen Kastellen zeichnet sich Durnomagus durch seine frühe Gründung, die lange Nutzungsdauer, die bedeutenden archäologischen Funde (Mithräum, Münzschatz, Ziegelstempel) und die gut dokumentierte Stationierung der Ala I Noricorum aus. Die enge Verbindung von Militärlager und Vicus, die ethnische Vielfalt der Garnison und die religiöse Praxis machen Durnomagus zu einem herausragenden Beispiel für das Leben am römischen Limes.

Spätantike Nutzung und Aufgabe des Reduktionskastells

 

Reduktionskastell und spätrömische Phase

 

Nach den Zerstörungen und Umstrukturierungen des 3. Jahrhunderts wurde im Nordosten der Anlage ein Reduktionskastell von 57 × 52 Metern errichtet. Dieses Kleinkastell diente der Restgarnison als Rückzugsort und war bis ins 5. Jahrhundert in Nutzung. Die spärlichen Funde aus dieser Zeit deuten auf eine reduzierte, aber weiterhin militärisch genutzte Anlage hin.

 

Aufgabe und nachrömische Nutzung

 

Mit dem endgültigen Rückzug der römischen Truppen um 390 n. Chr. wurde das Kastell aufgegeben. Das Land wurde von den Franken okkupiert, und möglicherweise entstand im 6. oder 7. Jahrhundert eine fränkische Siedlung oder ein Hof auf dem Gebiet des ehemaligen Kastells. Archäologische Befunde aus merowingischer Zeit belegen eine kontinuierliche Nutzung des Areals bis ins frühe Mittelalter.

Museale Bestände und Fundorte

 

Rheinisches Landesmuseum Bonn

 

Das Rheinische Landesmuseum Bonn beherbergt zahlreiche Funde aus Dormagen, darunter Weihesteine, Münzen, Keramik, Ziegelstempel und das Fragment des Altars für Apollon und Asklepios. Die Sammlung ist international bedeutend und bietet einen umfassenden Überblick über die provinzialrömische Archäologie am Niederrhein.

 

Historisches Museum Düsseldorf und Historisches Rathaus Dormagen

 

Ein Teil der Funde befindet sich im Historischen Museum Düsseldorf. Im Historischen Rathaus Dormagen ist eine kleine Ausstellung mit einem Modell des Kastells, einer Reitermaske und weiteren Funden eingerichtet. Der „Römerkeller“ ist ein restaurierter Originalbefund aus dem Jahr 1979 und kann nach Absprache besichtigt werden.

 

Bedeutung für die Öffentlichkeit

 

Die museale Präsentation der Funde trägt wesentlich zur Vermittlung der römischen Geschichte Dormagens bei. Führungen, Ausstellungen und Publikationen machen die Ergebnisse der archäologischen Forschung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und fördern das Bewusstsein für das kulturelle Erbe der Region.

Fazit: Durnomagus als Spiegel römischer Grenz- und Kulturgeschichte

 

Das Reiterkastell Durnomagus ist ein herausragendes Beispiel für die römische Militär- und Alltagskultur am Niedergermanischen Limes. Von seiner Gründung im späten 1. Jahrhundert bis zur Aufgabe in der Spätantike war das Kastell ein Brennpunkt militärischer, wirtschaftlicher und kultureller Entwicklungen. Die Ala I Noricorum, als Hauptgarnison, verkörpert die ethnische Vielfalt, die Mobilität und die Integrationskraft des römischen Heeres. Die archäologischen Funde – von Ziegelstempeln über Münzschätze bis zu Mithrasweihungen – geben einen einzigartigen Einblick in das Leben der Soldaten, ihre Ausrüstung, ihre religiöse Praxis und ihre Einbindung in das römische Imperium.

 

Die neuesten Forschungen zeigen, dass Durnomagus nicht nur ein militärischer Stützpunkt, sondern auch ein Zentrum der Romanisierung, des Handels und der kulturellen Begegnung war. Die enge Verbindung von Kastell, Vicus und Gräberfeldern, die Integration einheimischer Bevölkerung und die Verschmelzung römischer und lokaler Traditionen machen Dormagen zu einem Schlüsselort für das Verständnis der römischen Geschichte am Rhein.

 

Mit der Aufnahme des Niedergermanischen Limes in das UNESCO-Weltkulturerbe wird die Bedeutung von Durnomagus für die europäische Geschichte und Identität eindrucksvoll unterstrichen. Die Erforschung und Vermittlung dieses Erbes bleibt eine spannende Aufgabe für Archäologie, Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen.

 

Abschließende Bemerkung:

 

Durnomagus ist ein faszinierendes Beispiel für die Dynamik, Vielfalt und Widerstandsfähigkeit der römischen Grenzgesellschaften. Die Verbindung von militärischer Disziplin, religiöser Vielfalt, wirtschaftlicher Aktivität und kultureller Integration macht das Reiterkastell Dormagen zu einem lebendigen Zeugnis der römischen Geschichte am Rhein – und zu einem lohnenden Forschungsgegenstand für Gegenwart und Zukunft.

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